Wer zuerst baut, baut näher
Folgender Fall: Der Nachbar braucht für sein Bauvorhaben ein Näherbaurecht, damit er näher zur Grundstückgrenze bauen darf, als dies der ordentliche Grenzabstand vorsieht. Sie sind einverstanden, möchten dafür aber dasselbe Recht für zukünftige Projekte eingeräumt wissen. Deshalb werden gegenseitige Näherbaurechte begründet. Doch hier ist Vorsicht geboten: Wer zuerst baut, schränkt die Möglichkeit des Näherbaus des Nachbarn ein, wie das Bundesgericht in einem neuen Leiturteil festgehalten hat.
Was ist ein Näherbaurecht?
Mithilfe eines Näherbaurechts darf auf dem berechtigten Grundstück eine Baute in einem geringeren Abstand zur Grundstücksgrenze erstellt werden, als es in der Nutzungsplanung der Standortgemeinde vorgesehen ist. Das Nachbargrundstück verzichtet auf die Einhaltung des ordentlichen Grenzabstands und hat die Unterdistanz zu dulden. Das Näherbaurecht ist als Dienstbarkeit im Grundbuch einzutragen.
Gebäudeabstände sind trotzdem zu beachten
Trotz eines im Grundbuch eingetragenen Näherbaurechts müssen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Gebäudeabstand beachtet werden. Der minimale Gebäudeabstand entspricht in der Regel der Summe der gesetzlichen Grenzabstände. Steht auf einem Grundstück eine Baute in Unterdistanz zur Grenze, hat die Baute auf dem Nachbargrundstück grundsätzlich den Gebäudeabstand einzuhalten. Daraus kann folgen, dass die zweite Baute einen grösseren Abstand zur eigenen Grenze wahren muss, als es der gesetzliche Grenzabstand verlangen würde. Abweichungen vom gesetzlichen Gebäudeabstand sind unter gegebenen Voraussetzungen mit einer Ausnahmebewilligung möglich.
Vorsicht bei gegenseitigem Näherbaurecht
Sind die beteiligten Grundstücke noch unbebaut, kann auf dem erstbebauten Grundstück das gegenseitige Näherbaurecht voll ausgenutzt werden. Gemäss einem diesjährigen Urteil des Bundesgerichts haben die Eigentümer des noch nicht bebauten Grundstücks keine Möglichkeit, das Bauprojekt auf dem Nachbargrundstück zu verhindern, selbst wenn dadurch das eigene Näherbaurecht nicht mehr ausgenutzt werden kann (BGE 149 III 400).
Insbesondere dann, wenn gegenseitige Näherbaurechte begründet werden sollen und Sie nicht der Erstbauende sind, drängen sich weitere Abklärungen auf, um unerwünschte Überraschungen zu vermeiden.
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